Wir helfen nicht nur Tieren, wir helfen auch Menschen ...

Nach meinem Erlebnis am vergangenen Mittwochabend habe ich lange überlegt, ob ich dies hier überhaupt veröffentlichen soll.

 

Aber allen in allem war es - im Nachhinein betrachtet - so einprägsam, dass ich mich dafür entschieden habe.

 

Bitte lesen Sie den nachfolgenden Bericht, denn er ist schon recht aufschlussreich.

Am vergangenen Mittwochnachmittag waren mein Sohn Sebastian und ich bei Freunden zum Kaffee eingeladen. Wir freuten uns auf die gemütliche Runde, wollten aber gegen 19.00 Uhr wieder Zuhause sein, weil Sebastian das Fußballspiel sehen wollte.

 

Wie es eben meistens so ist, verquatschten wir uns und standen so erst gegen 19.30 Uhr wieder am Auto. Noch im Begriff, einzusteigen, bemerkte ich, dass ich meine Zigaretten auf dem Tisch liegen gelassen hatte und ging noch einmal zurück. Es dauerte natürlich ein paar Minuten, bis ich wieder am Auto stand.

 

Es regnete - wie es in den letzte Wochen ja leider zum "Tagesgeschäft" gehört, ordentlich und wir fuhren zügig über die Landstraße in Richtung Heimat.

 

Als wir um die Kurve in Richtung der Kreuzung in nach Neuss-Hoisten, an der wir links abbiegen mussten, ankamen, sah ich, dass die Fahrbahn wegen eines Unfalls blockiert war. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoß, war "da kommen wir nicht durch". Als wir näher heranfuhren bemerkte ich dann die Schwere des Unfalls und sagte zu Sebastian: "Fußball fällt aus wegen "is nich". Hier müssen wir halten und helfen.

 

Wir stiegen also aus. Die Fahrer der beteiligten Autos standen zusammen und ich rief ihnen zu, ob alles in Ordnung wäre oder jemand verletzt. Es kam ein "alles o.k." zurück. Ich besah mir dann den schwer beschädigten Audi A3, der zwischen zwei andren Fahrzeugen stand und bemerkte einen älteren Herrn der mit offenem Fenster noch in seinem Fahrzeug saß. Ich fragte ihn, ob er verletzt sei und er zeigte mir seine linke Hand, die anschwoll und auf der ein dicker blauer Fleck sichtbar wurde. Es war offensichlich, dass er unter Schock stand, aber er meinte nur, er wäre wohl bei dem Unfall mit der Hand vor die Tür geschlagen.

 

Als ich mich so vorbeugte, um ins Auto zu sehen, bemerkte ich einen ziemlich kokeligen Geruch. Eigentlich darf ja heutzutage bei den Autos nicht so schnell ein Brand entstehen, aber dennoch fragte ich ihn, ob er aussteigen könne. Da bejahte der Mann und ich half ihm aus dem Auto heraus und brachte ihn zu unserem Wagen, damit er sich auf den Beifahrersitz setzen sollte. Als er von dort aus seinen Wagen sah, begann er zu weinen und ich tröstete ihn erst einmal. War ja alles nur ein Blechschaden und das regeln die Versicherungen schon. Hauptsache, ihm war nicht mehr passiert ...

 

Nach einer kleinen Weile sagte er, er wollte seine Frau anrufen und ich riet ihm, tief durchzuatmen und bis 10 zu zählen, um dann ruhig und einigermaßen gefasst seine Frau anrufen zu können.

 

Der Mann rief also seine Frau an, als einer der Unfallbeteiligten auf mich zukam und fragte, ob ich wohl auch ein Warndreieck hätte, dass man weiter hinten auf "unserer" Spur aufstellen können. Ich nahm es aus dem Fach in der Heckklappe, drückte es ihm in die Hand und sagte, er sollte es einfach aufstellen. Der Mann nahm das Warndreieck aus der Hülle und  gab sie mir mit den Worten "leg Dir die Hülle auf den Fahrersitz, dann vergisst Du es später nicht". Das tat ich und bemerkte dabei, dass sich hier an der Unfallstelle alle dutzten - das "Sie" war hier egal.

 

Der Mann in meinem Auto wollte immer wieder aussteigen und  jedes Mal sagte ich ihm, er möge sich wieder hinsetzten, möglichst gerade und ruhig. Den Mann, der mein Warndreieck mitgenommen hatte, frage ich gerade, ob die Polizei schon informiert worden sei. Er bejahte das. In diesem Moment stieg der Mann wieder aus meinem Wagen und sagte, ihm täte der Nacken so weh. Mir schwante Böses und so bugsierte ich ihn wieder ins Auto mit dem Hinweis, ruhig und möglichst gerade zu sitzen und den Kopf nicht zu bewegen.

 

Den "Handy-Mann" bat ich, nun auch einen Rettungswagen und den Notarzt anzufordern. Er stutzte erst und meinte, das erste Telefonat mit der Polizei wäre schon nicht freundlich ausgefallen, aber das war mir egal. Letztendlich rief er doch direkt an.

 

Die Autoschlange hinter meinem Wagen wurde immer länger und der Mann mit dem Handy begann, den Verkehr zu regeln. Weder Rettungswagen noch Polizei kamen in - eigentlich gewohnter Schnelligkeit - an. Doch in der Schlange fuhr auch ein Rettungswagen, der wohl nur einen Krankentransport, also nichts mit Blaulicht, durchführte. Der hielt an und fragte, was wem geschehen sei. Ich wies ihn auf den Mann in meinem Auto hin und er holte sofort einen Halskragen mit den Worten "möglichst ruhig und gerade sitzenbleiben" und legte ihm den Kragen an. Dann forderte auch dieser Sanitäter nochmals Kollegen, Polizei und Feuerwehr an.

 

Noch bevor die angeforderten Rettungskräfte eintrafen, stand auf einmal eine Frau vor mir, die fragte, wo ihr Mann sei. Sie war die rund 12 km schneller hierhergefahren, als die Rettungskräfte, die dann wenige Minuten nach ihn eintrafen, den Mann vorsichtig aus meinem Auto herausholten und auf eine Bahre legten, um ihn erst einmal abzutasten. Dabei teilte die Frau des Mannes mit, dass er blutverdünnende Mittel nähme.

 

Sebastian und ich gingen ein Stück weg, damit die Leute ihre Arbeit erledigen konnten und besahen uns nochmals den Audi. Dabei fiel mir ein, dass irgendwer mich vor einiger Zeit gefragt hatte, ob die Scheibe dieses Autos "noch drin sei". Nachdem der eigentlich Stress nun von mir abfiel, besah ich mir die Scheibe genauer an un bemerkte, dass die Scheibe einen massiven Sprung hatte - und zwar von innen, da, wo der Kopf des Mannes so hart dagegen geschlagen sein musste, dass sie platzte. Ich teilte dies dem mittlerweile eingetroffenen Notarzt mit, der sich die Scheibe ansah und sich für die Information bedankte. Der Mann hat es wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen, dass er mit dem Kopf fast durch die Scheibe gegangen ist. Für den Arzt war dies aber eine wichtige Information und so wurde der Mann daraufhin recht zügig in den Rettungswagen geschoben und ins Krankenhaus gefahren.

 

Da Sebastian's und mein "Einsatz" nun beendet war, wollten wir weiterfahren. Aufgehalten wurde ich dabei von etwas Ungewöhnlichem, dass ich unter meinem Allerwertesten befand; nämlich die Hülle des Warndreiecks. Also stieg ich nochmals aus, um es aufzusammeln. Aber das war nix mehr. Dreisterweise hatte mir wohl irgendeiner, der in der Fahrzeugschlange stand, geklaut!

 

Als ich das Sebastian durch's Fenster mitteilte, hörte dies auch einer der Polizisten, der meinte, "das darf doch wohl nicht wahr sein!" (letztlich weiß ich jetzt, dass so ein Ding geschlagene 8 EUR im Neuzustand kostet).

Warum ich diese Geschichte nun hier aufschreibe?

  • weil ich - im Nachhinein betrachtet - es unmöglich finde, dass sich alle um den Unfallverursacher kümmerten - aber niemand um dem Mann im Audi! Der hätte - wären wir nicht zufällig vorbei gekommen - wohl die ganze Zeit in seinem Auto gesessen, ohne dass es jemanden gekümmert hätte;
  • weil ich der Meinung bin, dass  gewaltig viel Zeit verging, bis die Hilfskräfte endlich eintrafen. Wäre da jemand verblutet, hätten wir auf der Straße kaum etwas machen können;
  • weil ich nun weiß, dass ich mir in den vielen Jahren meiner Tierschutztätigkeit viel medizinisches Fachwissen in Bezug auf Tiere angeignet habe, dass sich letztendlich - logisch betrachtet - auch auf den Menschen anwenden lässt

  • und ich schon seit vielen Jahren und aufgrund vieler Erlebnisse der Meinung bin,  dass "da oben" einer seine Finger im Spiel hat. Denn hätte ich meine Zigaretten nicht liegen gelassen, hätten wir an der Ampel ganz vorne gestanden ...

 

Letztendlich hat sicherlich alles seinen Grund, warum etwas passiert oder auch nicht. Vielleicht können wir mit unserer eigenen Reaktion und unserem verantwortungsbewussten Handeln Geschehnisse verändern - zum Guten und zum Schlechten. Aber deshalb sollten wir niemals weg oder in eine andere Richtung sehen, sondern einfach "anpacken".

 

Heute habe ich zufällig den Polizeibericht gelesen

Darin heißt es:

 

Verkehrsunfall mit Verletzten und hohem Sachschaden

 

Am Mittwochabend klingelten die Alarme bei den Einsatzkräften der Feuerwehr Neuss. Ein 18-jähriger hatte einem 60-jährigen die Vorfahrt genommen, dieser konnte nicht mehr ausweichen und die beiden Fahrzeuge kollidierten.

 

Der Aufprall war so stark, dass das Fahrzeug des 60-jährigen dabei in  zwei weitere, an der Ampel wartende Fahrzeuge geschleudert wurde. Der Gesamtschaden beläuft sich auf etwa 18.000 Euro. Die Feuerwehr kümmerte sich um die ausgelaufenen Betriebsmittel und die Aufräumarbeiten.


Wir alle sollten uns hin und wieder alle einmal fragen

... wie lange unser letzter Erste-Hilfe-Kurs schon her ist, um helfen zu KÖNNEN, wenn es erforderlich ist. Denn das kann ganz schnell erforderlich werden. Auch ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dass so etwas "mir einmal passieren könnte".

 

Auch wenn man - vielleicht - einen Fehler macht, ist es immer noch besser, zu helfen, als einfach weiterzufahren.

 

Morgen

... werde ich versuchen, denn Mann aus dem Audi im Krankenhaus ausfindig zu machen. Ich weiß, dass meine Chancen gering sind, da ich nicht einmal seinen Namen kenne, aber ich denke trotzdem, dass es einen Versucht wert ist.

 

Dem Dieb meines Warndreiecks

... wünsche ich viel Vergnügen damit und hoffe, dass er es niemals selbst brauchen wird.

 

Er oder sie braucht es mir auch nicht zurückzugeben, denn ich habe nun eine neues :-)

 

(Petra Schmidt)