Besuch aus Deutschland

Jeder von uns erlebt eine Woche mit Freunden anders und so möchte auch ich hier einmal einen Einblick von meiner Sichtweise und von den Eindrücken und Erlebnissen der Woche im Mai mit Kristina, Dani und Murat schildern.

Es ist Sonntag der 28.04.2013, mittlerweile schon nach 21.00 Uhr, aber vom Team München noch kein aktuelles Lebenszeichen. Die Ankunft war planmäßig, jedoch wird der Transport und das Treffen mit weiteren Flugpaten etwas Verzögerung mitgebracht habe.

 

Kurz vor 22.00 Uhr dann der Anruf der gestressten Teammitglieder: Sie sind im Hotel, haben einen Bärenhunger, aber das Buffet ist bereits beendet. Ich sage ihnen, dass ich schnell ein paar Kleinigkeiten vorbereite. Es gibt vegane Nudeln und Tomatensoße.

 

Sofort hellen sich die Stimmen am anderen Ende des Telefons auf und so sitzen wir kurz darauf im Wohnzimmer und stopfen Nudeln in die leeren Bäuche. Danach ist die Welt dann wieder in Ordnung.

 

Murat verschwindet zum "Rauchopfer" nach draußen vor die Tür, damit der uns nicht zu qualmt. Dani, Kristina und ich tauschen die ersten Eindrücke und Erlebnisse des Tages und die beim Ein- bzw. Auschecken in Izmir aus.

 

Da ertönt plötzlich ein heller Schrei und Knurren von der Terrasse. Als ich die Gardine zur Seite schiebe schaut ein sehr gerupftes Wesen ins Zimmer. Oh nein, die kleine "Alienkatze" Sophie ist wieder da. Ihr haben wir bereits im letzten Oktober notfallmäßig geholfen, später aber wieder in die Freiheit entlassen, als es ihr wieder gut ging.

 

Ihr heutiger Zustand erschreckt die Mädels und mich; sie ist rappel dürr und das Fell sieht aus wie ein alter Flokati-Teppich. Die Katze selbst ist anscheinend froh, mich zu sehen und ich bereite für sie den Behandlungskäfig vor, da mein Bauchgefühl nach Einzelbehandlung schreit. Die Maus hat sich schlimm verändert. Fressen will oder kann sie nicht, egal, was wir ihr anbieten. Damit ist klar, dass sie zuerst morgen früh in der Tierklinik vorgestellt wird. Auf Verdacht geben wir ihr keinerlei Medikamente.

 

 

Mittlerweile ist die Flaschenmilch für die Kleinsten Pflegefälle fertig. Dank der Spenderinnen und Spender gibt es gute Aufzuchtsmilch und nun werden die Babymiezen mit der Flasche gefüttert. Die beiden Kleinen sind erst zwei Wochen alt und haben erst vor kurzer Zeit die Augen geöffnet. Es ist sehr mühsam, den kleinen Geistern die Milch einzugeben, den die Flasche ist natürlich nicht die Mama. Danach kommt das Massieren der Bäuchlein und das Säubern. Der andere kleine Tiger, der schon fast vier Wochen alt ist, ist am Einfachsten zu händeln. Er schreit sich die Seele aus dem Leib und trinkt gierig seine Flasche leer. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Lautstärke aus diesen kleinen Körpern kommt, wenn sie hungrig sind. Dann kennen sie kein Erbarmen und es erfordert eine Engelsgeduld, das Schreien zu ignorieren, wenn man mehrere hungrige kleine Mäuler zu stopfen hat, denn schließlich hat man nur zwei Hände und kann sie nur nacheinander füttern. Dieser Spaß wiederholt sich dann alle drei bis vier Stunden - herrlich :-).

 

Wir sind so mit den Katzenkindern beschäftigt, dass wir erst nach geraumer Zeit bemerken, dass Murat immer noch abwesend ist. Wollte er doch netterweise das Gepäck und die Spenden aus dem Auto holen und ins Haus tragen. Jedoch gibt es von unserer Herrlichkeit keine Spur.

 

 

 

Ein Blick in den Vorgarten zeigt mir, dass er durchaus willig war, das Gepäck hochzutragen, doch der arme Kerl wird von meiner Hundemeute belagert und beschmust.

 

Zeyna, die Rottihündin, sitzt erstmal dich und breit auf der Reisetasche - frei nach dem Motto "Hey, trag mich doch auch nach oben. Ich bin klein und zart ...". Die Wuchtbrumme ist immer noch der Meinung, dass sie so klein und handlich ist wie Toffee, unsere Pekinesen-Mix-Hündin. Nur wiegt Toffee auch keine 40 kg.

 

Murat macht das Beste aus der Situation: Er streichelt und knuddelt um sein Leben. Trotzdem sieht er schlimm aus. Die Meute hat ihn mit Pfotenabdrücken geschmückt. Jede Mutter würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Da war der junge Mann eben noch wie aus dem Ei gepellt und jetzt sieht er aus, als wenn er durch den Garten gezogen wurde.

 

Aber Murat ist tapfer und erträgt sein Los. Als er dann wieder im Wohnzimmer ist, versuchen wir, ihn einigermaßen salonfähig zu machen. Mit feuchten Tüchern können wir zumindest einige Hundehaare von seinem Shirt entfernen.

 

Die nächsten Tage werden allerdings auch nicht deutlich besser für ihn werden, denn die Hunde lieben ihn und genießen die Narrenfreiheit, die sie bei ihm haben. Denn ich unterbinde das ständige Hochspringen strikt, aber Murat duldet es bzw. die Hunde haben ihm gegenüber die wesentlich mehr Durchsetzungsvermögen. Aber wir sind ja hier nicht auf Brautschau und Murat hatte letztendlich die ganze Woche über immer leichte "Pfotenprints" auf der Kleidung.

 

Wir schaffen es dennoch, das Gepäck ins Haus zu holen. Zeyna gibt die Reisetasche frei und kurz drauf fahren dann alle wieder ins Hotel, wo wir uns am nächsten Morgen treffen wollen, da doch noch einige Miezen gesehen wurden, die noch nicht kastriert sind.

 


 

Nach einem kurzen Feedbäck von Dani soll ich am Montagmorgen doch noch zwei Transportboxen mehr zum Hotel mitbringen. So erschiene ich mit den Katzekörben zum Einfangen der Tiere, die von Dani, Kristina und Murat bereits erspäht wurden.

Auf dem Parkplatz vor dem Hotel habe ich in kurzer Zeit die erste Miez eingetütet. Sie ist weniger begeistert von mir, als sie erst in der Box sitzt und versucht, mich durch die Schlitze der Box zu kratzen. Man könnte meinen, ein kleiner Gepard säße n der Box, so laut und drohend sind die Knurr- und Protestlaute der Katze. Aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen und schließlich wird sie einige Tage später wieder in die Freiheit entlassen. Zwar etwas "erleichtert", aber definitiv aus dem Gebärzyklus ausgeschlossen, denn nur konsequentes Kastrieren zeigt Erfolge in gesunden und kontrollierbaren Populationen.

 

Danach geht es dann ins Hotel - vorbei an den neugierigen Blicken der Gäste und des Personals. Während wir versuchen, die nächste Katze, die mit ihrem Lover im Schlepptau auf der Terrasse weilt, einzufangen, gesellt sich das Personal und leitende Angestellte zu uns. Sie erzählen uns, dass sie bereits Katzen an der Fischhalle ausgesetzt haben. Toll! Mir schwillt langsam der Hals, denn ich hatte mich schon gewundert, dass die Population - eigentlich kastrierten - Katzen dort so zugenommen hat. Hatten wir doch bei der Kastrationsaktion im vergangenen Oktober an der Fischhalle extrem viele Katzen kastrieren können.

 

Nun ist mit klar, dass durch solche "Problemverlagerer", die sich damit auch noch brüsten, dass sie den Katzen nichts getan und für sie einen guten Platz gefunden haben, kein relevanter Tierschutz praktikabel ist. Die Tierchen dort finden zwar zu Fressen, vermehren sich aber auch unkontrolliert weiter und bereiten den Fischern dann Probleme, die mit einem "Meer an Miezen" klarkommen müssen und gegebenenfalls auch wieder Tiere woanders hin transferieren ...

 

Das ist ein Kreislauf und nur eine Problemverschiebung, aber keine Lösung. Denn "wegtransferierte" Tiere hinterlassen freie Plätze, die dann sofort von anderen Tieren belegt werden, die ebenfalls nicht kastriert sind und sich froh und munter vermehren.

 

Also versuche ich, den Herren ihren Fehler klarzumachen, dass das Wegbringen von Tieren nur Platz für neue schafft. Dulden sie aber, dass die Tiere nach der Kastration wieder auf das Geländer zurückkommen dürfen und füttern sie sie in bestimmten Bereichen des Hotels vor den Mahlzeiten ihrer Gäste, so werden die dortigen "Haustiere" nicht mehr am Buffet betteln, weil sie schon satt sind und wissen, das sie regelmäßig Futter bekommen.

 

Diese Futterstellen sollten dann auch den Touristen gezeigt werden und damit ist dann das Problem der "Buffet-Mopser" ebenfalls gelöst. Denn feste Futterplätze regeln und lösen auch hier Konflikte. Denn nicht jeder Hotelgast ist tierfreundlich eingestellt.

 

Die Herren nicken und diskutieren noch fleißig untereinander weiter, während es uns immer noch nicht gelingen will, die Kätzin einzufangen. Die spielt mit uns; schnurrt herum, lässt sich kraulen, nascht an dem Katzenfutter, aber sie lässt nicht packen und in die Box will sie auch nicht; jedenfalls macht sie keinerlei Anstalten, dort einzuchecken.

 

Die Geduld wir auf die höchste Stufe ausgereizt und so stelle ich die Box so hin, dass sie mich nicht sehen kann. Außerdem missachte ich sie nun, streue Futter vor und in die Box und gehe mehrere Schritte zurück, als würde ich gehen wollen.

 

Diese Aktion weckt wieder die Neugierde der Kätzin und so geht sie vorsichtig immer näher zur Box und ganz langsam auch hinein, aber noch immer ist ein Beinchen sicherheitshalber draußen. Ich drehe mich schnell zu ihr um, denn frontal hat die Box keine Schlitze und so gebe ich ihr einen kleinen Klaps und schubse Madame in die Box.

 

Die ganze Aktion dauert nur Sekunden, der Überraschungseffekt zeigt aber nicht nur bei der Katze Wirkung. Auch das Personal ist baff. Fast gibt es einen Szeneapplaus, aber ich bin nur froh, aus der brüllenden Sonne herauszukommen und unter Protestgemaunze wird auch dies Katze erst einmal in den Schatten gestellt.

 

Der Kater hat natürlich nach dem Schauspiel die schlimmsten Befürchtungen und rettet sich und sein prächtiges Geschmeide vorerst in den Gebüschen der Hotelanlage. Wir brechen die Aktion ab und bringen die Miezen zur Klinik, damit sie schnellstmöglich kastriert werden können.

 

 

Danach fahren wir wieder zu mir nach Hause, denn es ist wieder Fütterungszeit. Sobald die Rasselbande uns an der Türe hört, fängt sie an zu schreien; einer lauter und fordernder als der andere. In Windeseile wird die Milch zubereitet und dann schnell in die Nuckel in die Mäulchen gesteckt. Das Gefühl ist unbeschreiblich, wenn auch der letzte Schreihals Ruhe gibt und satt und alle mit dickem Bäuchlein für die nächsten vier Stunden auf der Wärmflasche und Handtuch ruhen.

 

Murat ist derweil draußen bei der Meute - erneut übersät mit Tapsen und Haaren - und stellt fest, dass unsere Zaubermaus Skully Angst vor rauchenden Männern haben muss, denn sobald er sich eine Zigarette anzündet, verschwindet sie in Sicherheit unter ihrem "Kaktusgewölbe".

 

Während wir sinnieren, was dieses arme Geschöpf schon alles durchgemacht haben muss, höre ich aus dem Nachbargarten einen grurrenden singenden Ton und gleich darauf ein kräftiges Maunzen eines Katers.

 

Mich trifft fast der Schlag, als ich meine kleine gerade mal fünf bis sehr Monate alte Glückskatze sehe, die sich - Beine breit, Hintern hoch - einem dicken Kater anbietet. Das frühreife Früchtchen rollt munter im Beet hin und her und wartet, dass er sich ihrer annimmt.

 

Da brennt bei mir eine Sicherung durch. Ich weiß nicht, auf wen ich saurer bin, denn Madam kommt natürlich nicht, als ich sie rufe - sie will ja den Kater, diese kleine ...

 

Der Kater bewegt sich auch nicht. Hat er doch die jungfräuliche Schönheit vor der Nase. Weglaufen tut der nicht. Uns trennt aber ein hoher Zaun. Also packe ich schnell meinen Fangkäfig und versuche, über den Zaun des Nachbargrundstücks zu kommen. An den spitzen Zaunecken verletzte ich mich am Schienbein, aber es ist mir egal und ich merke es kaum. Ich will den Kater!

 

Der Käfig wird vor dem rolligen Früchtchen aufgestellt und der Kater mehr oder weniger in den Käfig gelockt. Von der anderen Seite des Zauns beobachtet das Team München meinen Rachefeldzug gegen den Vergewaltiger meines Katzenmädchens.

 

Die Aktion ist bald von Erfolg gekrönt und der Herr sitzt bald darauf im Käfig und wird in Kürze seine Herrlichkeit beim Tierarzt lassen und so keinen Schaden mehr anrichten.

 

 

Am Nachmittag fahren wir zu Familie Demirbas in Kusadasi. Das ältere Pärchen kommt ursprünglich aus Malatya. Sie wohnen aber schon seit 40 Jahren in Wuppertal und kommen immer in den Sommermonaten zu ihrem Häuschen in der Türkei. Sie waren auch schon Flugpaten und haben so viele Futterspenden für die Straßentiere mitgebracht. Auch die Beiden versorgen etliche Straßenkatzen in ihrer Siedlung und haben vor etlichen Jahren auch ihre Katze "Boncuk" adoptiert, die nun von ihrem Sohn in Deutschland versorgt wird, solange die Eltern in der Türkei sind. Hier haben sie nun zwei Katzen, die im letzten Oktober noch zu klein waren, um kastriert werden. Jetzt sind auch diese Beiden bereits gedeckt worden und sie möchten, dass wir sie schnellstmöglich kastrieren lassen, damit kein Nachwuchs kommt.

 

Wir werden mit gutem Filterkaffee aus Deutschland und Keksen verwöhnt und erfahren, dass auch der Nachbar, der ebenfalls wie sie Straßentiere pflegt und füttert, eine Katze zum Kastrieren hätte. Herr Demirbas spendet selbst 100 Lira für die Kastrationen und so fahren wir mit den drei Miezen wieder in die Klinik zu Nevzat. Für den folgenden Tag werden wir bereits gemeinsam mit Herrn Demirbas zum Kaffee eingeladen, wenn wir die Katzen wieder zurückbringen.

 

Während der Fahrt in die Klinik meint Murat dann, dass er den manchmal recht individuellen türkischen Akzent des Herrn Demirbas nicht hätte verstehen können. Er meinte, es wäre so, als wenn ein Bayer sächsisch lernen und verstehen müsse. Ich muss lachen. Ja, es gibt viele Akzente in der Türkei und es erfordert manchmal viel Einfühlungsvermögen, zu erraten, was der andere denn nun gemeint haben könnte.

 

Ja, das Leben hier ist nicht immer einfach, denn auch hier geht es nicht nur darum, die Tiere zu kastrieren. Man muss auch mit dem "Drumherum", den Leuten, den verschiedenen Meinungen und Ansichten klarkommen. Diesen Seiltanzakt mache ich nun schon seit über 20 Jahren, aber jeder, der neu dabei ist oder gerade neue Eindrücke vom Tierschutz hier sammelt, wird von dem "All-Inklusiv-Paket" regelrecht erschlagen.

 


 

Der Dienstagmorgen beginnt wieder mit viel Sonne. Für mich fängt er aber eher besch... an, denn ich hatte dummerweise gestern Abend den Hunden eine Tüte mit getrocknetem Pansen als Goody gegeben. Die Hunde waren natürlich von dieser Köstlichkeit extremst begeistert und hatten schnell alles verputzt. Leider bekommen sie so etwas nur selten und so reagierte ihr Verdauungssystem auch spontan auf diesen neuen Input.

 

Oh Mann, das ganze Haus müffelte, denn der Pansen hatte im wahrsten Sinne des Wortes eine durchschlagende Wirkung. So war ich schon ab 7.00 Uhr morgens damit beschäftigt, die Spuren, die durchaus auch im Haus auf den Fliesen und leider auch auf einem Läufer zu sehen waren, zu beseitigen. Also erst mal alle Probanten in den Garten geschickt zum fröhlichen spontanen Verdauen ...

 

Ich kämpfte mich durch das Haus und öffnete gegen 10.00 Uhr etwas bleich die Türe, als mir Dani, Kristina und Murat einen guten Morgen wünschten. Gut? - Na ja, der war eher bescheiden.

 

Der Geruch war noch länger in meiner Nase. Etwas Wick und Menthol verhalfen mir dann später wieder zu einem normalen Geruchssinn. Für den Rest der Woche war der Pansen nun vom Programm gestrichen und heute gab es nur gut gekochte Knochen, damit das Ganze wieder feste Formen annimmt und ich bei meiner täglichen Suche im Garten auch feste Formen aufsammeln kann.

 

Die Drei aus Deutschland fanden das Ganze recht erheiternd. Ich weniger und dafür durften sie dann auch erst mal die Schreihälse füttern. Danach brachten wir die kastrierten Miezen wieder ins Hotel und auch dieses Mal war der Transportkäfig wieder seine Notwendigkeit, denn der Kater, der uns gestern nicht in den Korb gehen wollte, saß bald im Käfig und - ebenso wie ein weiterer Herr, den wir oberhalb des Hotels einfingen, beim Tierarzt. Nur "Al Capone", ein schwarz-weißer Kater, der schon seit einigen Tagen immer dort herumstreunte, wenn Dani, Kristina und Murat "unbewaffnet" im Hotel waren, ließ sich nicht blicken.

 

Sobald wir mit Körben oder Fangkäfig anrückten, gab es von dem Herrn keine Spur mehr. Al Capone - wir haben ihn leider nicht einfangen können. Er hat uns immer wieder an der Nase herumgeführt. Spontan wurden dabei die Erinnerungen an den Kater "Adolf" geweckt, den wir letztes Jahr durch die halbe Seckin Sitesi gejagt hatten und der trotz meines Schwurs immer noch im Besitz seiner Herrlichkeit ist.

 

Somit ist die Galerie der Herren um ein Mitglied reicher, aber die Zeit wird für uns arbeiten. Wir kastrieren ja spätestens im Oktober wieder im größeren Rahmen. Da wird es beiden Herren an die Herrlichkeit gehen - darauf hat Murat bereits einen Eid geschworen. So viel zum Thema "Solidarität unter Männern".

 

Während der ganzen Tage zuvor und den Fahrten zur Klinik versuchte ich, den Dreien den "räudigen Roy" zu zeigen, aber auch heute war der Platz leer. Kein Roy ... schade. Der Knabe braucht bald wieder seine Medizin und ich hoffe, dass ich die Chance habe, den Herrn einmal persönlich vorzustellen.

 

 

Nachdem alles soweit erst einmal erledigt ist, machen wir einen kurzen Abstecher auf den Dienstagsmarkt und sitzen kurz drauf bei Melone, frischen Erdbeeren und Maulbeeren im Garten. Die Hunde knabbern an den Knochen und ich hoffe, dass sich bald eine positive Wirkung einstellen wird.

 

 

 

Nach der Rast im Garten geht es wieder zu Familie Demirbas und Mehmet, dem Nachbarn. Sie erwarten uns und die kastrierten Katzen bereits. Nachdem wir die Katzen wieder in die Freiheit entlassen haben, bekommen wir dann die Vorzüge der türkischen Gastfreundschaft zu spüren: Kaffeetrinken bei Mehmet im Garten. Er reicht uns auch Baklava und bedient uns wie hohe Gäste. In den frühen Abendstunden schaffen wir es dann, uns zu verabschieden. Er hat uns auch die Straßenhündin, die er pflegt, gezeigt und wir haben sie für die Kastration vorgemerkt, denn zur Zeit sind unsere Reserven leider erschöpft.

 

Wir fahren schnell zu mir nach Hause und holen die Babykatzen ab und fahren sie zu unserer Futterstellenbetreuerin Can Firtina. Se pflegt ja auch unendlich viele Tiere in ihrem Haus und im Garten einer alten Dame und hat eine Amme für unsere kleinsten Schreihälse. Die Beiden sind ja erst knappe zwei Wochen alt und haben ihr Mutter verloren, die überfahren wurde. Wir wollen probieren, ob die Amme auch die beiden kleinen schwarzen Katzenkinder auf- und annimmt. Das wäre die beste Lösung, denn niemand kann sich so gut um die Katzenbabys kümmern, wie eine richtige Mutter.

 

 

Die Kleinen brauchen die Wärme und die Pflege. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, es kann nicht genug sein. Also trenne ich mich schweren Herzens und voller Bedenken, ob ich das Richtige tue und gebe die Babys zu Can's Mutterkatze, die die Beiden ohne murren akzeptiert und säugt.

 

Auf dem Balkon sind noch einige andere Miezen. Eine von ihnen in blind und muss zu ihrer Sicherheit in einen großen Transportkorb, wenn Can außerhalb des Hauses zu tun hat. Ansonsten läuft sie aber frei im Haus herum und ist - wenn Can dabei ist - sicher vor den anderen Katzen, die sie sonst mobben würden. I Can's Anwesenheit traut sich das keiner. Sie ist der Dosenöffner und bestimmt die Regeln und alle fügen sich - genauso wie bei mir.

 

Der Anblick der blinden Katze löst bei Kristina einen Weinkrampf aus. So viel Leid und so viel Liebe auf einer Stelle - eben Tierschutz pur und ohne Schminke. Die Tränen kullern bei dem Gedanken an das Leid und dem Glück, einen Menschen gefunden zuhaben, bei dem sie bleiben darf.

 

Wir wollen eigentlich gleich weiter zur Tierklinik fahren, denn wir müssen noch "Sophie" abholen, das gerupfte Katzengeschöpf, das dort Antibiotika und Aufbaupräparate bekommt. Doch Can besteht darauf, uns mit einem türkischen Kaffee zu verwöhnen. Eigentlich möchten wir nicht. Wir sind noch voll mit Kaffee Dank Mehmet, doch alles Maulen hilft nicht. Da müssen wir durch, egal wie. Nur Dani hat Glück; sie darf zurzeit keinen Kaffee trinken, denn das Sunnydays-Team bekommt bald Nachwuchs. Damit ist sie raus aus der Nummer - wie aber mittendrin.

 

Der Kaffee ist stark und süß. Er hat uns um. Selbst Murat ist nachher noch am Jammern, wie stark der Kaffee war und dass sein Bedarf an Kaffee vorerst mehr als gedeckt sei. Mir ist auch sehr flau im Magen und auch Kristina hat nicht gerade ein Grinsen im Gesicht.

 

In der Klink erzähle ich Nevzat von unserer Kaffee-Orgie. Er macht sich einen Spaß und fragt Murat auf türkisch, ob er jetzt auch noch mit ihm einen Kaffee trinken wird. Murat traut seinen Ohren nicht und weiß kaum, wohin er schauen soll. Dann fragt er mich: "Hey, das war jetzt wohl nicht sein ernst, oder?". Ich so: "Doch, du musst nochmal ran". Doch dann platzen Nevzat und ich vor Lachen, denn in Murat's Gesicht ist die pure Verzweiflung zu sehen!

 

 

Etwas später gibt es das üblich Abendprogramm: Murat hat "Cesur" auf dem Schoß, Kristina die "Sophie" und Dani den "Tiger", der gierig an seiner Flasche saugt.

 

Morgen früh wollen wir etwas früher durchstarten und nach Efesus fahren, um die dortigen kastrierten Tiere zu kontrollieren und gleichzeitig auch etwas Kultur zu schnuppern.

 


 

Heute ist Feiertag - auch hier in der Türkei. Efesus ist voll mit Touristen, das hatten wir so nicht erwartet. Die einen sind wohl mit dem dicken Kreuzfahrtschiff angekommen und weitere Touristen wollen den herrlichen Tag ebenfalls für einen kulturellen Ausflug nutzen.

 

Durch die Kastrationsaktion in Efesus haben wir freien Eintritt auf das Gelände und in die antike Stadt. Der Sicherheitsmensch am Seitentor nimmt unsere - mittlerweile dreisprachigen - Flyer entgegen und platziert sie gleich neben der Kasse bei den Prospekten.

Wir haben einen großen 15 kg Sack Futter mitgebracht, den wir den Damen beim Toilettenhäuschen, die dort die Katzen füttern, überreichen. Sie strahlen uns an und begrüßen uns freundlich. Ich stelle Dani, Kristina und Murat vor und sie zeigt uns eine Mutterkatze, die ihre Babys in einem Karton - sicher vor den Touristen - säugt und wärmt. Was für ein hübscher Anblick! Wir sind entzückt von so viel Rücksichtnahme. Die Dame bittet uns aber, diese Katze, sobald die Kleinen groß genug sind, zu kastrieren. Bei der letzten Aktion war sie nicht auffindbar und nun hat sie fünf Kinder - alles Mädels! Das heißt, wieder geburtenfreudige Damen, die später kastriert werden müssen.

 

Wir versprechen ihr, dass wir auch sie kastrieren werden und machen uns dann auf in Richtung Hanghäuser, wo wir einige Katzen kontrollieren wollen. Ich habe ein kleines Köfferchen mit Handschuhen, Spritzen, Wurmkuren und Räudemitteln dabei. Sicher ist sicher und so werden alle Tiere, derer wir habhaft werden können, während unseres Aufenthaltes in den Ruinen entwurmt und wenn nötig behandelt.

 

Die Touristen beobachten unser Treiben und stellen die üblichen Fragen, was wir machen und warum. So haben wir wieder einmal die Möglichkeit, zu erklären und uns vorzustellen. Der Flyer wird verteilt und alle freuen sich, dass selbst an diesem weitläufigen Ort den Tieren geholfen wird.

 

 

Ich hatte Dani, Kristina und Murat morgens gebeten, reichlich Wasser mitzunehmen. Warum, merken sie jetzt selbst. Überall ist Marmor: vorne, hinten, oben, unten und von den Seiten. Auf der so genannten "Marmorstraße" vor dem Theater schlägt uns die Hitze erbarmungslos entgegen. Dabei ist es erst Anfang Mai mit "nur" 30 Grad, aber es kommt einem vor, als wenn man durch einen Umluftbackofen läuft

 

 

Dani ist tapfer, jedoch versuchen wir, möglichst jeden Schattenfleck mitzunehmen und der kleinste Lufthauch, der vom Meer herüber weht, bringt Erleichterung.

Die Hitze ist schon enorm und wird sich nun täglich steigern. Deshalb fragt uns auch ein Aufsichtsbeamter dort, ob wir uns nicht für Wassertränken einsetzen können, so dass die Tiere genügend Wasser finden. Denn das ist das Hauptproblem im Sommer. Kabbeltiere gibt es ja genug zum Fressen. Käfer in unzähliger Art etc., aber Wasser ist sehr knapp. Es wäre toll, wenn wir dort Wassertränken aufstellen könnten, die dann durch das Personal von Efesus gefüllt würden.

 

Nach etwa drei Stunden in der Hitze von Efesus kommen wir wieder unten am Eingang an und werden mit einem frischen Tee erwartet. Murat fragt prompt noch mal nach, ob die Dame tatsächlich "Tee" und nicht "Kaffee" gesagt hätte. - Ich muss lachen. Nein, es ist definitiv Tee und er schmeckt köstlich und Dani bekommt frisches Wasser.

Während wir mit dem Personal plaudern, werden auch dort einige Katzen entwurmt. Die Spritze mit dem Wurmmittel brennt und die Herren schreien und jaulen laut auf, während die Damen still ihr Schicksal ertragen. Fast hätten wir Vergleiche in die Menschenwelt gewagt ...

 

Danach fahren wir an den Strand von Pamucak, was früher der Strand von Efesus war. Jetzt ist das Meer aber ca. 5 km weit zurückgegangen von der eigentlichen Hafenstadt Efesus. Wir genießen das Rauschen des Meeres und lassen uns unter Palmen im warmen Sand nieder. Nach einiger Zeit meldet sich der kleine Hunger wieder und so genießen wir einen Imbiss auf der Terrasse des Dereli Motels und lassen die Seele baumeln.

 

Auf dem Rückweg sitzt dann der "räudige Roy" an seiner Stelle und wartet auf uns. Was für ein Glückstag! Ich gebe ihm seine Medikamente und er frisst sein Nassfutter dazu. Danach ist er wie immer schnell wieder verschwunden. Aber endlich haben die Drei ihn auch einmal sehen können und so steht dem morgigen Ausflug nach Izmir nichts entgegen.

 

 


 

Die Fahrt nach Izmir am Donnerstagmorgen erfolgt über die Landstraße. Wir genießen die Eindrücke der Natur, um dann krass in die Großstadt einzutauchen.

 

Dani und Kristina sitzen hinten und sind froh, dass sie nicht fahren müssen. Dabei ist der Verkehr recht harmlos. Dennoch verpassen wir eine Abfahrt, die uns schneller zum Ziel gebracht hätte. Danach haben wir aber das Feld von hinten aufgerollt und so bekommen die Mädels Eindrücke über die türkische Großstadt Izmir. Murat schlägt sich tapfer als Fahrer und so langsam kommen bei ihm die türkischen Gene durch. Er hupt und fährt sehr forsch - für deutsche Verhältnisse unvorstellbar. Hier jedoch vollkommen normal. Die Hupe gehört auch dazu - mal mehr, mal weniger.

 

Das Parkhaus ist dann ein Kracher für sich. Es hat "halbe" Etagen. So fahren wir hoch: Etage 1, Etage 1,5, Etage 2 usw. Oben angelangt haben wir in Etage 8 einen genialen Blick auf die alte Stadt, die Agora und die Bucht von Izmir mit dem höchsten Gebäude, dem Hilton Tower.

 

Ich führe sie durch die Gassen des Bazars von Kemeralti, zum Konak Uhrturm, zu den Künstlergassen und das bunte Gewimmelt nimmt uns auf. Das Angebot an Waren, die man kaufen kann, ist groß. Hier gibt es alles, was man sich wünscht. Aber die Vielfalt der Farben kann einen auch erschlagen, daher beschließen wir gegen 18.00 Uhr, den Bazar zu verlassen und die Heimreise anzutreten. Schließlich wollen wir uns auch noch mit unserer Flugpatin Heike Baumann treffen.

 

Auf der Rückfahrt ist dann Stille im Auto. Jeder hängt seinen Gedanken nach, bis Murat plötzlich auf die Bremse tritt, einen Schlenker macht und sagt: "Ich glaub', da war 'ne Schildkröte auf der Straße."

 

Ich sitze neben Murat, schaue ihn von der Seite an und sage: "Mann, warum hältst Du dann nicht an? Die wird doch vom Nächsten überfahren." E reagiert sofort und macht 'ne Drehung a la Miami Vice, steht quer auf der Straße und lässt mich das kleine Wesen ins Auto tragen. Unser gerettetes Leben ist gerade mal so groß wie eine Zigarettenpackung. Kleine schwarze Äuglein schauen uns an und dann ... läßt es einen spontanen Strahl ab, mitten ins Auto, auf meine Hand und letztendlich auf Murat's Jacke. Die Mädels auf dem Rücksitz quietschen und lachen.

 

Die Packung Taschentücher, die es zum Tanken gratis dazu gab, werden das Bettchen für die kleine Schildkröte, die wir den "Kleinen Murat" nennen, hergerichtet.

 

Der "große" Murat ist wenig begeistert von dieser Namensgebung und merkt an, dass "es ausdrücklich zu erwähnen sei, dass die Schildkröte Murat ins Auto gepinkelt hätte; nicht, dass noch falsche Infos unter die Leute gebracht würden!

 

Wir grinsen nur und Dani hat den "kleinen Murat" voll in ihr Herz geschlossen. Sie spricht mit ihm und er hört ihr zu. Auch Kristina ist begeistert und so fahren wir im Hotel Korumar vor und erhöhen die Anzahl der Fahrgäste um Heike, die schon auf uns wartet.

 

 

Bevor wir wieder zu mir nach Hause fahren, machen wir noch einen Abstecher zu meiner Freundin Kate, die bereits vier Schildkröten im Garten hat. Auch sie ist von dem "kleinen Murat" schwer begeistert und macht ihm gleich ein schönes Plätzchen im Garten fertig, wo er wenig später schon Tomate und Melone futtert.

 

 

Danach fahren wir in mein "Reich" und lassen Heike im Garten einen Eindruck in meine reichhaltige Tierwelt gewinnen. Dieses Mal haben die Hunde richtig Spaß, denn neben Murat können sie nun auch Heike beschmusen und beide haben alle Hände voll zu tun.

Gegen 22.00 Uhr bringen wir Heike zurück ins Hotel und Dani, Kristina und Murat gehen Koffer packen. Danach wollen sie noch einmal vorbeischauen und sich von ihren Lieblingen verabschieden. Die Zeit ist nur so dahin geflogen. Zurück bleiben die zahlreichen Futter- und Medikamentenspenden aus Deutschland, die ich noch auspacken und verteilen muss.

 


 

Im Vergleich zu den vielen Tieren auf der Straße ist die Menge von 240 kg natürlich wie ein Tropfen auf den heißen Stein, aber steter Tropfen höhlt den Stein; ebenso wie die Kastrationen das Leid der Tiere, die auf der Straße leben müssen, wenigstens so weit begrenzen, dass es nicht ins Unendliche ausufert. Denn nur durch kontrolliertes Kastrieren können die Populationen gering und vor allen Dingen auch gesund gehalten werden, denn so werden auch viele Krankheiten vermieden.

 

Jeder kann etwas tun, wichtig ist nur, den ersten Schritt zu gehen und seinen Worten, Versprechungen und guten Vorsätzen auch Taten folgen zulassen, denn am Ende zählt nur das Ergebnis. Kristina jedenfalls ist haben die wenigen Tage hier "infiziert". Wenn sie wieder in Deutschland ist, will sie einen Mitgliedsantrag ausfüllen und eine Patenschaft für "Sophie" übernehmen, die sich in der Zwischenzeit bei mir erholt. Und wenn alles klappt, möchte sie Sophie später ein Zuhause geben.

 

Ich danke Dani, Kristina und Murt für ihren (außerplanmäßigen) Besuch hier. Denn die moralische Unterstützung ist auch für mich persönlich sehr wichtig - hier als Deutsche in der Türkei und dem täglichen Kampf für die Tiere.

 

Nicht zuletzt möchte mich auch bei allen Spenderinnen und Spendern sowie Patinnen und Paten und natürlich auch allen Vereinsmitgliedern für die großartige Unterstützung bedanken und hoffe, dass sie uns auch weiterhin dabei helfen, zumindest für einen Teil der Straßentiere den Kampf zu gewinnen.

 

Viele Grüße, Angelika Hoffmann-Cigdem

 

 

P.S. Wenn Sie noch etwas mehr von Angelika erfahren möchten, dann lesen Sie bitte  H I E R  weiter.